Brief an einen Freund.
Für B., D., F., S. und T. Familie eben.
Manchmal gibt es Tage, da will ich gar nicht aufstehen. Tage, an denen das Licht nicht durch meine grünen Vorhänge drängen kann. Stunden, in denen ich auf meinem Teppich liege und meinem im letzten Moment in Seufzen umschwenkendem Atem zuhöre, in denen ich mich frage, was ich hier noch mache, wohin ich gehen werde, was die Zukunft bringt. Zukunft Gegenwart Vergangenheit - immer wieder die gleiche Assoziationskette, die auf Gebetsmühlen geschrieben zu sein scheint. Und dann schwebt mir vor Augen, wie unterschiedlich doch die Bewohner dieses Zimmers, das ich nun mein eigen nenne, gewesen sein müssen. Wie unterschiedlich die Luft, die sie geatmet haben. Wie unterschiedlich das Gefühl, mit dem sie ins Bett gegangen sind. Wie unterschiedlich die Charaktere, die sie durch den Tag getragen haben. Wie unterschiedlich die Fragen, die sie sich gestellt haben. Und doch gleich im Kern. Und alle wüten wir, toben wir, verbieten uns zu wüten und zu toben, verschließen dies. Dann weiß man nicht einmal mehr, was man noch sagen wollte. Vielleicht weiß man gar nichts mehr. Wenn ihr mir manchmal sagt, dass ihr nicht genau wisst wer ich bin, dann kann ich das verstehen. Ich weiß es selbst nicht. Doch bin ich mir sicher, dass ihr das auch kennt. Ach und dann noch dieses kleine Kribbeln in den Fingerkuppen, das Kribbeln des Aufbruchs. Auch ich mag es nicht gerne, über meine Zukunft zu reden. Oder gar darüber nachzudenken. Ich versuche, Pläne zu machen, scheitere aber schon in den Grundschritten. Wer sind wir als Menschen, wenn wir nicht auch Fehler machen. Uns nach höheren Dingen sehnen. Fernweh haben. Oder Heimweh. Oder beides. Aufbruchstimmung. Wagnis.
Oft zweifle ich noch an dem, was ich glaube machen zu wollen. Wir sind gerade mal, fast, beinahe oder bald zwanzig Jahre alt. Wir reiten auf Strömungen, die uns ausmachen, aber noch nicht in definitiv festgelegte Richtungen. "Was genau willst du damit später einmal machen?" - "Ich mache mir darüber noch nicht so viele Gedanken. " - "Ich habe Zweifel." - "Wo siehst du mich später mal?". Antwort. "Ich kann dir deine Fragen nicht beantworten." - Wer willst du sein? Zukunft, das Wort, das eigentlich Fanfaren erklingen lassen sollte, da wir doch angeblich voller Tatendrang sind, voller Zukunftsperspektiven, die wir uns selber aufgezeigt haben.
Vor uns liegen noch mehr als fünfzig Lebensjahre. Strömungen. Richtungen. Wegweiser. Es ist nicht schlimm, wenn man die Antworten auf seine Fragen noch nicht kennt. Vielleicht darf man den Fragen nur nicht aus dem Weg gehen. Nein, ich meine nicht die Fragen, die ich stelle. Sondern die, die ihr euch selbst stellt.
Ja, ich versuche Pläne zu machen. Schritt für Schritt. Schreibe mir kleine Tabellen. Planquadrate meiner Lebenszeit. Jetzt müsstest du schon so-und-so-weit sein. Schon wieder versagt. Nicht schlimm, du hast noch Zeit. Und dann will ich alles auskosten, was mir mein Leben, mein Charakter, meine Luft, mein Atem, mein Seufzer, meine Fanfaren, mein Fernweh bieten kann. Familie. Freunde. Familie. Freunde. Die Grenze verschwimmt. Wegweiser meines Lebens, die ich gefunden habe.
Ich schreibe diesen Brief stellvertretend für all die Briefe, die ich nie schreiben konnte. All die Briefe, die ich schrieb, aber nie abschicken konnte, weil ich nicht den Mut dazu hatte. All die Briefe, die ich abschicken wollte, die ich dann aber doch nicht zur Post geschafft habe. Und ich weiß noch nicht mal, ob alle, die ich ansprechen will, ihn jemals lesen werden. Mir fällt soetwas schwer. Sehr schwer. Ein kleines Stückchen Schale schält sich ab.
xoxo
Anke
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