Samstag, 1. März 2008

How To Be Dead.


wer sind wir wenn wir
nicht
so unbeholfen sind wenn
alle Halteseile reißen?
(Gedicht: Der Abend, 07)

Manchmal müssen diese Halteseile noch nicht mal angeschnitten sein. Jedenfalls nicht sichtbar. Wir versuchen doch alle, an einem Seil hochzuklettern, uns hochzuziehen. Einer kommt oben an und schlägt die Hand an die Decke, ein anderer fängt erst unten an. Und wieder ein anderer verliert das Gleichgewicht, ohne, dass da am Boden ein Auffangnetz auf einen wartet. Keine Versicherungen. Keine Absicherungen. Keine Hilfestellung. Nur das eigene Gewissen am Hallenrand, das einem immerzu in die Ohren schreit. In manchen Dingen bin ich in London sehr unsicher geworden. Wo steht man denn für manche Leute? Wo steht man in deren Herzen, wenn überhaupt? Wird man von einer Freundin zu einer Bekannten? Einer Onlinebekanntschaft, der man nicht mehr sagen muss, was man von ihr hält? Was sie einem bedeutet? Wenn überhaupt? Und kann man das nicht auch sagen? Warum lassen so viele die Stille für sich sprechen? In der Stille spricht niemand. Es ist weder Peinlichpause noch Verständnispause, wenn man sich noch nicht mal in die Augen schauen kann. Es wird erwartet, dass man es weiß. Unsicherheit? Gewiss. Wie kann man sich ohne Zweifel Dingen sicher sein? Ich weiß, dass ich ein zu Hause habe in Dresden. Dass Menschen auf mich warten. Dass mein Vater sich darauf freut, mit mir Fahrradtouren zu machen. Oder meine Mutter wieder jemanden hat, der die Wäsche aufhängt, wenn man ihn drum bittet. Oder meine Großmutter jemanden hat, der zuhört. Oder Bianca weiß, dass ihr Telefon öfter klingeln wird. Oder dass Falk schon kleine musikalische Pläne hat. Dessen bin ich mir sicher. Menschen verändern sich sicherlich mit der Zeit, manchmal erkennt man sie schon nach zwei Tagen nicht mehr wieder. Ich weiß nicht was ich bin, wenn die Leute, die mich kennen müssten, mich nicht definieren können. Oder wollen. Oder es wagen. Ich bin keine Porzellanpuppe. Manchmal halte ich schon Dinge aus. Eigentlich keiner weiß alles über mich. Und manche Dinge behalte ich auch oft für mich, weil ich glaube, sie sind langweilig, uninteressant und - ach ja - es interessiert sich von vornherein ega niemand dafür.
Manchmal schlägt man mit der Hand an die Decke, manchmal verliert man das Gleichgewicht. Gelegentlich fängt man wieder von unten an, sich hochzuhangeln. Und den ein oder anderen Tag schließt man sein Selbst weg für ein paar Stunden. Tage. Wochen. Monate.

Was ist sonst der Grund dafür, dass ich einen Schlüssel um den Hals trage?

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Wunder.
Wunder.
Wunderschön geschrieben.

Man. X I