In letzter Zeit ertappe ich mich dabei, immer weniger mit Merica zu machen, so als würde sich mein Verstand, mein Herz, meine Seele, alles, sich schon auf die Situation vorbereiten, die Anfang November eintreten wird. Und so fühlt man sich einsam, obwohl man es noch lange nicht ist.
Und wie ist das, wenn man merkt, dass sich Menschen so verändert haben, dass sie einem nur noch wehtun? Dass sie enttäuschen und man sie gar nicht mehr kennt? Man verliert seine Stimme und seine Kontaktfreudigkeit, dann kennt der andere einen nicht mehr und man geht auseinander, sodass man am Ende das bewirkt hat, was man unterbewusst die ganze Zeit gewusst hat.
Warum macht sich der Mensch so viele Gedanken um gelegentlich triviale Dinge? Warum denkt man so viel nach, warum fühlt man sich einsam, wenn man von Menschen umgeben ist? Ich habe vor ein paar Tagen mit Timm über „Zusammen ist man weniger allein“ geredet und der Titel des Buchs/Films hat mich tagelang nicht losgelassen. Was ist das eigentlich für eine Aussicht, wenn man auf etwas zustrebt, dass einen trotzdem alleine sein lässt? Warum überhaupt kann man sich in einer Freundschaft, in einer Beziehung oder in einer Familie einsam fühlen? Vielleicht weil diese kleine Stimme in unserem Kopf, dieses Herz, dass durch unsere Adern und Venen fließt und unseren Zellen vibriert, nie mit einer anderen Stimme direkt kommunizieren kann. Kann ein Herz überhaupt einem anderen direkt antworten? Ist es Liebe, wenn ein anderes Herz antwortet? Ist es Seelenverwandtschaft, wenn man sich zwar noch alleine, aber nicht mehr einsam fühlt?
Ich hatte letztens einen Traum, an den ich mich auch heute noch so klar erinnern kann, als hätte ich ihn tatsächlich gerade durchlebt. Es war Abend und ich lag auf der Wiese in Russell Square Gardens, in der Nähe des Springbrunnens, die Luft war klar und kalt und fast so zerbrechlich wie Glas. Ich begann, in Gedanken ein Lied zu singen und ein Eichhörnchen kam und legte sich an meine Schulter; mein Herz schlug laut vor sich hin und ich begann zu weinen. Das Wasser sprudelte vor sich hin, die Sirenen auf der Straße verkümmerten, es fuhren keine Autos oder Busse, durch den Himmel flogen keine Flugzeuge mehr und auf einmal war alles so still, dass ich meinen eigenen Atem hören konnte. Ich ging aus dem Park und wollte nach Hause gehen, mein Schlüssel passte nicht ins Schloss. Ich ging auf Arbeit und sah jemand anderen dort stehen, wo ich sonst stehe, so reden, wie ich sonst rede, so lachen, wie ich sonst lache; ich sah all die Leute, von denen ich das Gefühl habe, dass sie mich schätzen, ich sah all die Menschen, die sich schon vor langer Zeit von mir entfernt haben, ich sah mich ein Lächeln lächeln, von dem so viele gesagt haben, dass sie es nicht kennen. Ich lag wieder im Park, das Eichhörnchen noch an meiner Schulter, mit all dem Trubel Londons um mich herum, einsam, aber mit passendem Schlüssel.
Das war einer der seltenen Träume, bei dem ich in Tränen aufgewacht bin. Im Haus gegenüber brannte kein Licht.
Manchmal ist da dieses laute Herzklopfen in mir, dieses Gefühl, dass mich fast oder gelegentlich wirklich in Tränen ausbrechen lässt. Es ist kein Heimweh, denn ich fühle es seitdem ich mich bewusst an meine Gefühle erinnern kann, es ist vielleicht dieses Gefühl der Einsamkeit, des Herausstechens, des Gerührtseins, ein Gefühl, dass an der Grenze des emotional ertragbaren ist, dass mein Herz fast zu überlasten scheint; ich habe es gefühlt, damals in der Toskana, als ich vor Bianca zusammengebrochen bin, als ich einem Behördendokument entnehmen durfte, dass meine Mutter stolz auf mich ist, als ich damals in unserer Wohnung in Dresden auf einer Leiter saß und die Autoscheinwerfer meines Vaters, der gerade nach Hause kam, an meiner Decke sah, als Timm mir vor langer Zeit mal geschrieben hat „danke, dass du da bist“, als meine Freunde zu meinem 18. Geburtstag plötzlich vor meiner Tür standen, als Dani hinter den Türen des Gatwick-Express verschwand, als meine Schwester im Eingang des Flughafens Berlin-Schönefeld stand, als Jule beinahe angefangen hat zu weinen, als wir uns das letzte Mal gesehen haben, als ich Mr Krück zum letzten Mal sah. Dieses Gefühl scheint mein Leben beinahe zu bestimmen, manchmal ist es schön und tut gut, manchmal ist es einfach nur nicht zu ertragen.
Vielleicht tut es besonders weh, weil man weiß, dass man trotz mehr als 3 Milliarden Menschen immer noch alleine sein kann.
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